Gespräch zu AfrikAWunderhorn

Die Herausgeberin Indra Wussow über die Reihe AfrikAWunderhorn

Seit vielen Jahren bereisen Sie regelmäßig das südliche Afrika und knüpfen Kontakte zu den lokalen Kunst- und Literaturszenen. 2008 haben Sie in Johannesburg das jozi art:lab gegründet, eine Dependance Ihrer international ausgerichteten Kulturstiftung kunst:raum sylt quelle. Was reizt Sie als Herausgeberin an der Reihe AfrikAWunderhorn?

Die Idee ist, mit dieser Buchreihe konkret zu zeigen, wie unterschiedliche Schriftsteller-Generationen auf das sich wandelnde Afrika reagieren. Das Afrikabild, das in Europa gezeichnet wird, ist ja leider häufig sehr einseitig und reduziert einen ganzen Kontinent auf Katastrophen und Kriege. Dabei ist die Realität natürlich vielschichtiger und hoffnungsvoller und es ist wichtig, die Menschen dort zu Wort kommen zu lassen. Die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen in vielen afrikanischen Ländern und auch das alltägliche Leben dort bringen literarische Themen und Formen hervor, die nicht nur als solche Interesse wecken, sondern unseren Gesellschaften in Europa Neues erzählen kann. Auch über uns selbst.

Nach welchen Kriterien wählen Sie die Autorinnen und Autoren für die Reihe aus?

Als Literaturwissenschaftlerin und Übersetzerin bin ich immer neugierig, literarische Qualitäten und neue künstlerische Entwicklungen zu entdecken. Zugleich erlebe ich auf meinen vielen Reisen durch das südliche Afrika und durch mein Leben in Johannesburg den allgegenwärtigen gesellschaftlichen Wandel mit seinen Brüchen und Potentialen auch im unmittelbaren Alltag. Wie spiegelt sich das eine im anderen? Das ist das Spannende. Mir geht es bei der Reihe also darum zu zeigen, wie facettenreich und literarisch anspruchsvoll die zeitgenössische afrikanische Literatur die gesellschaftlichen und politischen Umbrüche reflektiert. Entsprechend werden wir Bücher von Autorinnen und Autoren verschiedener Altersgruppen und unterschiedlicher Sprachen, Nationalitäten und Hautfarben haben.

Gibt es für diese in Deutschland weitgehend unbekannten Autoren überhaupt eine Leserschaft?

Die Resonanz schon auf die ersten beiden erschienenen Titel zeigt eindeutig: Ja. Wir haben die Reihe mit Gedichten der südafrikanischen Autorin Lebogang Mashile begonnen. »Ausgerechnet Lyrik!«, könnte man einwenden. Lebo Mashile ist Performance-Künstlerin, das »spoken word« spielt in der zeitgenössischen südafrikanischen Literaturszene eine wichtige Rolle. Lebo Mashile ist in Südafrika ein Star und ist schon für alle südafrikanischen Präsidenten aufgetreten. Wir haben ihr Buch in der Reihe AfrikAWunderhorn zweisprachig herausgebracht und eine CD beigegeben, auf der sie alle Gedichte selbst liest. Sie war mit dem Buch auf Lesereise in Deutschland, hat auch hier das Publikum begeistert und das Buch war auf der Bestenliste »Weltempfänger«. Zu K. Sello Duikers großartigem Kapstadt-Roman »Die Stille Gewalt der Träume« erschienen ausführliche Besprechungen in den großen Medien. Die taz stellte Duiker neben Rolf-Dieter Brinkmann und Rainald Goetz, die Welt schrieb »ein Vermächtnis!«. Mehr kann man sich zum Start einer solchen Reihe kaum wünschen. Es ist großartig, so wichtige Stimmen auch in unseren Breiten bekannt machen zu können.

Da liegt doch auch viel an den Übersetzern?

Unbedingt. Arne Rautenberg, der Lebo Mashiles Gedichte übersetzt hat, ist selbst Lyriker. Judith Reker, die Übersetzerin von Sello Duikers Roman, lebt seit Jahren als Journalistin in Südafrika. Sie kennt das Leben dort, die Szene, die Tonalitäten. Manfred Loimeier, der das dritte Buch übersetzt hat, den Roman »Zwietracht« des Zimbabwischen Autors Shimmer Chinodya, bereist seit vielen Jahren den Kontinent. Er ist ein erfahrener Übersetzer und ausgewiesener Kenner der literarischen Traditionen in Afrika. So möchten wir auch weitermachen.

Mit welchen Autoren, Themen, Ländern wollen Sie die Reihe als nächstes fortsetzen?

Wir halten die Reihe bewußt offen, sie ist auf keinen bestimmten Umfang angelegt. Pro Jahr werden drei Bände erscheinen. Als nächstes kommen Gedichte von Chirikure Chirikure aus Zimbabwe, übersetzt von Sylvia Geist, wieder mit einer CD. Danach folgt der Roman »Gezeitenwechsel« des indischen Südafrikaners Imraan Coovadia. Für diesen Roman erhielt Coovadia den renommierten »Sunday Times Literary Award 2010« und 2010 den University of Johannesburg Prize. Das dritte Buch 2011 wird der Roman »Kings of the Water« des südafrikanischen, in Tansania geborenen Autors Mark Behr sein. Ein sehr wichtiges Buch im südafrikanischen Kontext, denn es thematisiert eindrucksvoll die widersprüchlichen Gefühle weißer Südafrikaner, ihren Umgang mit Schuld, Sühne und Vergeltung und ihre Rolle in einem neuen Land, das aber dennoch ihr eigenes bleibt. Selbst dann noch, wenn sie ihm den Rücken kehren. Dass wir auch dieses Buch in Deutschland bekannt machen können, freut mich sehr.
(Interview: Hanne Knickmann)